In den 1990er Jahren arbeitete der amerikanische Biologe Craig George an einer Erhebung für die Internationale Walfangkommission. Ziel des Projekts war, die Verbreitung von Grönlandwalen zu dokumentieren - auch jener, die von den Inuit bei der Jagd getötet wurden.
Als George einen dieser Wale untersuchte, stieß er tief in der Fettschicht des Meeressäugers auf einen harten Gegenstand. Zum Vorschein kam eine Harpune. Wie sich herausstellte, war diese aus Stein gefertigt und stammte offenbar aus dem späten 18. Jahrhundert. Was wiederum bedeutet: Der Wal musste schon vor 200 Jahren in diesen arktischen Gewässern geschwommen sein.
Rekordhalter: Schildkröten und Kakadus
Unter den Säugetieren regiert der Grönlandwal nach wie vor als Rekordalter. In der offenen Klasse übertroffen wird er möglicherweise von der Aldabra-Riesenschildkröte: Ein Exemplar, verstorben vor neun Jahren in einem Zoo in Kalkutta, könnte laut BBC gar 250 Jahre geworden sein.

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Derlei Berichte seien aber auch immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet, betont Alois Strasser von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Strasser ist Veterinärgerontologe, also Fachmann für die Alterung von Tieren, und als solcher vor allem mit den Sterbestatistiken von Haustieren vertraut.
Auch hier gibt es beeindruckende Beispiele: Der älteste Vogel, ein Kakadu, wurde ihm zufolge 69 Jahre alt, das älteste Pferd 62 und der älteste Goldfisch 49. Vor allem Letzteres sei ungewöhnlich, so Strasser, denn normalerweise würden Goldfische "nicht einmal 10 Jahre alt" werden.
Je größer, desto älter
So extrem die Abweichungen von der Norm mitunter sind, sie folgen einem Muster. Denn stellt man die Lebenserwartung in Beziehung zur Körpergröße, erscheint ein Zusammenhang: Große Tiere werden älter als kleine. Das fiel schon Aristoteles auf, erklären konnte der griechische Denker den Zusammenhang allerdings nicht.
Selbst heute haben Forscher damit so ihre Schwierigkeiten. Lange Zeit war etwa die Hypothese populär, große Tiere würden wegen ihres relativ langsameren Stoffwechsels älter als kleine. Das mag in vielen Fällen so sein - doch warum dann Papageien, allen voran Kakadus, so alt werden, bleibt aus dieser Perspektive rätselhaft. Denn das Herz von Papageien schlägt pro Minute bis zu 600-mal - da fällt es schwer, zu behaupten, ihre Körperuhr würde langsam ticken.
Ausnahme: Hund und Katz
Auch der Altersunterschied von Hunden und Katzen ist auf den ersten Blick erklärungsbedürftig. Zwar werden Hunde im Schnitt ein wenig älter (Hunde elf, Katzen zehn Jahre), beim Maximum haben hingegen die Katzen klar die Schnauze vorn. Creme Puff, eine Hauskatze aus den USA, wurde laut dem "Guiness-Buch der Rekorde" 38 Jahre alt und damit neun Jahre älter als Bluey, der Rekordhalter unter den Hunden.
Doch warum werden Katzen älter als Hunde, obwohl sie kleiner sind? Der amerikanische Biologe Steven Austad hat möglicherweise eine Erklärung dafür. Ihm zufolge kommt es gar nicht so sehr auf die Größe an, sondern auf die Lebensweise. Tiere, die wenige Feinde haben oder unter gesicherten Bedingungen leben, sind nicht gezwungen, ihre Fortpflanzung möglichst schnell abzuschließen. Sie können stattdessen in das Immunsystem und in Reparaturmoleküle investieren - und werden daher älter.
Das gilt für große Tiere, aber auch für besonders wehrhafte. Und das ist laut Austad mithin der Grund, warum Katzen relativ alt werden. Ihre wilden Vorfahren waren schlichtweg besser bewaffnet als die Ahnen des Haushundes. Belege für diese Hypothese lassen sich auch andernorts finden: Das bestens bewehrte Stachelschwein etwa wird ebenfalls recht alt, nämlich über 20 Jahre.

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Leider hilft diese Hypothese nicht weiter, wenn man Hunderassen untereinander vergleicht. "Kleine Hunde wie Spitz oder Dackel werden im Schnitt zwölf Jahre alt, große wie Dogge oder Bernhardiner nur acht", so Strasser. Der Altersunterschied lasse sich bei vielen Rassen an den Schutzkappen der DNA ablesen, den sogenannten Telomeren, betont der Veterinärmediziner. Das weise auf die Existenz einer genetischen Uhr hin.
Doch warum diese Uhr so schnell tickt, wie sie tickt, sei in vielen Fällen noch unbekannt. Die verbreitete Erklärung, große Hunde hätten mehr gesundheitliche Probleme, kann Strasser jedenfalls nicht bestätigen. "Probleme kann es bei jeder Rasse geben, bei den großen wie bei den kleinen. Das unterschiedliche Alter der Hunderassen könnte eine Nebenerscheinung der Züchtung sein. Aber das ist reine Spekulation."
Hydra: Für immer jung
Manchmal bleibt die genetische Uhr auch stehen. Zumindest gibt es Arten, die überhaupt keine Anzeichen von Alterung zeigen. So etwa der Nacktmull und die Süßwasserpolypenart Hydra vulgaris. Wie Rostocker Forscher kürzlich im Fachblatt "PNAS" berichteten, ist das kleine Wassertier offenbar mit unverwüstlicher Gesundheit gesegnet.
Der Polyp ist zwar nicht unsterblich - 0,6 Prozent der Tiere starben in dem zehnjährigen Langzeitexperiment pro Jahr durch Unfälle oder andere widrige Umstände -, aber Tod durch Alterung, so wie wir ihn kennen, ist der Hydra vulgaris offenbar fremd. Verantwortlich dafür sind unter anderem drei Stammzelllinien, die ihre Teilungsfähigkeit - im Gegensatz zu anderen Tierarten - niemals einbüßen und folglich den Körper dauerhaft erneuern.
Enervierende Gesundheit
Das ist gut für den Polypen, Forscher indes kann das auch schon mal zur Verzweiflung bringen. Davon kann Daniel Martinez, Evolutionsbiologe vom Pomona College in Kalifornien, ein Lied singen. Er war einer der ersten, der die Hydra vulgaris als Untersuchungsobjekt für die Altersforschung auserkor. 1998 fasste Martinez erstmals seine außergewöhnlichen Erfahrungen mit 145 Hydren zusammen, die vier Jahre lang ohne irgendwelche Anzeichen des Verfalls überlebten.

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Martinez' Studie war ein Meilenstein, widerlegte sie doch die verbreitete Annahme, dass Leben und Alterung untrennbar miteinander verbunden sind. Dennoch war sie für Martinez auch ein Misserfolg. "Als ich die erste Studie veröffentlicht hatte, beendete ich das Experiment. Ich hatte genug", so Martinez kürzlich im Fachblatt "Science". "Man kann die Alterung nicht erforschen, wenn die untersuchten Tiere nicht altern."
Mittlerweile hat Martinez wieder zu seiner alten Form wiedergefunden und an der Hydra ein paar Erkenntnisse gewonnen, die auch für die Humanmedizin von Bedeutung sein könnten. Eine entscheidende Rolle im Netzwerk des molekularen Jungbrunnens spielt offenbar das Gen FoxO. Dieses ist bereits von Fruchtfliegen und Fadenwürmern bekannt und hat auch dort eine ähnliche Wirkung: Das Gen wappnet den Körper gegen oxidativen Stress. Je besser es diese Aufgabe erledigt, desto länger dauert das Leben.
Robert Czepel, science.ORF.at
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