Der Frauenanteil in den österreichischen börsennotierten Gesellschaften liegt laut EU-Kommission mit nur 13 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt der EU-Länder. Nur geringfügig besser sieht es aus, wenn man die 200 umsatzstärksten Unternehmen heranzieht. Immerhin ist der Anteil dort in den vergangenen Jahren um ein paar Prozentpunkte gestiegen und liegt laut einem Bericht der Arbeiterkammer (AK) vom Februar dieses Jahres knapp über 16 Prozent.
Die Masterarbeit "Die Reproduktion des männlichen Aufsichtsrates - Homosoziale Praktiken in der Evaluierung von Kandidatinnen und Kandidaten" wurde vergangenen Freitag vom Wirtschaftsministerium mit dem Förderpreis 2015 der "Gabriele-Possanner-Preise" ausgezeichnet. Hainzl hat für ihre Studie Interviews mit Expertinnen und Experten geführt. Die "Gabriele Possanner-Preise" werden seit 1997 zum Gedenken an die erstmalige Verleihung eines akademischen Grades an eine Frau durch eine österreichische Universität verliehen. Possanner erhielt 1897 ihr an der Züricher Uni erworbenes Doktorat der Medizin von der Universität Wien nostrifiziert.
Zum Vergleich: In Norwegen, wo es bereits seit 2003 eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote gibt, sind 38 Prozent der Aufsichtsratsposten in börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt, nur Island schneidet mit 45 Prozent noch besser ab. Der EU-Schnitt liegt bei 20 Prozent.
Dabei sind die Frauen in den österreichischen Aussichtsräten im Vergleich zur Geschäftsleitung noch gut vertreten. Laut AK hat sich der Anteil der Frauen in den Vorständen dieses Landes in den vergangenen zehn Jahren nur geringfügig erhöht. Heuer betrug er nicht einmal sechs Prozent.
Keine konkreten Vorgaben
Vorgeschriebene Quoten gibt es hierzulande keine und sind auch im derzeitigen Regierungsprogramm nicht vorgesehen. Angekündigt werden lediglich "Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in Spitzenpositionen in Politik, Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Verwaltung und Einrichtungen der Selbstverwaltung".
Bekenntnisse sind - wie es aussieht - nicht genug. In ihrer vergangene Woche mit dem Gabriele Possanner-Preis ausgezeichneten Masterarbeit hat die WU-Absolventin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Wirtschaftsministerium, Astrid Hainzl, drei wesentliche Gründe identifiziert, warum sich die Geschlechterverhältnisse in den österreichischen Aufsichtsräten so wenig bewegen.
Drei Gründe
Grund eins: Die Kandidatinnen sind mehr als ihre männlichen Kollegen gefordert, ihre Eignung für die Position zu beweisen. Kompetenz wird laut Hainzl je nach Geschlecht oft recht anders ausgelegt. Denn einerseits sei zwar klar, dass eine Person nicht alle fachlichen Anforderungen an das Gremium abdecken kann. Frauen müssen aber dennoch im stärkeren Maß ihre Qualifikationen nachweisen. Hainzl bezeichnet diesen Umstand als "homosoziale Praxis, die Männer bei der Evaluierung begünstigt".
Ein zweiter Punkt, der die Frauen benachteiligt, sei das Kriterium "Vertrauen". Dieses werde üblicherweise fast ausschließlich auf der Grundlage von persönlichen Beziehungen gebildet, die meist in Netzwerken entstehen. Für Frauen sind diese männlichen Seilschaften aber oft nicht oder nur sehr schwer zugänglich.
Um trotz des öffentlichen Drucks, die Frauenquote zu erhöhen, das Werte- und Normensystem in Aufsichtsräten beibehalten zu können, wird laut Hainzl zudem die Gruppe der Frauen, die überhaupt für Aufsichtsratsmandate in Frage kommt, sehr klein gehalten. Diese Gruppe habe schon eine starke Sozialisierung im Gremium erfahren. Bei Neubesetzungen werde dann meist auf diese Wenigen zurückgegriffen. Das ermögliche den Erhalt von Werten und Normen im Gremium.
science.ORF.at/APA