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Die Galaxie CR7

Astronomischer Jahresrückblick 2015

Von überraschenden Nahaufnahmen der Zwergplaneten Ceres und Pluto über die angebliche Entdeckung einer "zweiten Erde" bis hin zu Kandidaten für die älteste Sterngeneration unseres Universums: ein kleiner Rückblick auf das Jahr 2015 in Astronomie und Weltraumfahrt.

Weltraum 30.12.2015

Zwergplanet Ceres im Rampenlicht

Von Anneliese Haika und Thomas Posch

Zwergplaneten standen heuer im Mittelpunkt der Erforschung des Sonnensystems. Die NASA-Sonde "Dawn" erreichte im März dieses Jahres den Kleinplaneten Ceres. Mit einem Durchmesser von 940 Kilometern ist Ceres das größte und am längsten bekannte Objekt des Asteroidengürtels.

Porträtfotos von Anneliese Haika und Thomas Posch

Privat

Die Autoren

Anneliese Haika ist Gymnasiallehrerin und Mitglied der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA). Thomas Posch ist Astronom an der Universität Wien.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 28.12., 13:55 Uhr.

Die Messdaten lassen auf eine von Kratern übersäte Oberfläche schließen, wobei zwischen Kraterböden und Berggipfeln Höhenunterschiede bis zu 15 Kilometern erreicht werden. Das hervorstechendste Merkmal des Zwergplaneten sind aber zahlreiche grell-weiße Flecken, die sich deutlich von der sonst dunklen Oberfläche abheben. Zusammensetzung und Ursprung dieses hellen Materials werden derzeit erforscht.

Ein Blick auf die hellen Flecken von Ceres

DLR

Ein Blick auf die hellen Flecken von Ceres

Erste Studien sprechen von möglichen Salzablagerungen, die nach der Verdunstung von salzhaltigem Wassereis zurückgeblieben sind. Seit Mitte Dezember hat Dawn in einer Höhe von 385 km den endgültigen Orbit um Ceres erreicht. Sehr bald werden nun noch detailreichere Bilder und Daten die Erforschung von Ceres vorantreiben.

Pluto - eine überraschende Welt

"Star des Jahres" war wohl eindeutig Pluto. Nach einer Anreise von über neun Jahren erreichte erstmals eine Raumsonde den fernen Zwergplaneten. Die NASA-Sonde "New Horizons" flog am 14. Juli in einer Entfernung von 347.501 km an Pluto vorbei.

Die Bilder, die uns seither erreichten, sorgten für Verblüffung. Kaum jemand hatte mit so vielfältigen Landschaftsformen gerechnet. Ein Teil des herzförmigen Gebiets im Zentrum der "New Horizons"-Aufnahmen, "Sputnik Planum" genannt, ist völlig frei von Kratern. Das lässt darauf schließen, dass die Oberfläche hier in geologisch jüngster Vergangenheit verändert wurde.

Pluto aufgenommen von "New Horizons"

NASA

Die herzförmige Struktur auf dem Pluto

Detailaufnahmen zeigen gletscherartige Zonen, die sich um zerklüftete Eisberge geschoben haben. An anderen Stellen finden sich regelmäßige Muster aus Vertiefungen und Hinweise auf Eisvulkane. Ebenfalls unerwartet sind die Vielschichtigkeit der – wenn auch dünnen – Atmosphäre und die großen Unterschiede in der Zusammensetzung der Oberfläche. Pluto ist eine aktive Welt, die noch einige Überraschungen bereithält.

"Rosetta" beim Kometen "Tschuri"

Am 13. August 2015 erreichte der kurzperiodische Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko ("Tschuri") den sonnennächsten Punkt in seiner Bahn. Und mit ihm die Raumsonde "Rosetta" der Europäischen Weltraumagentur ESA, die den Kometen seit August 2014 begleitet.

Im Februar dieses Jahres begann eine Serie von nahen Vorbeiflügen an der Kometenoberfläche. Die engste Begegnung brachte die Sonde bis auf sechs Kilometer an die Oberfläche heran. Einzigartige Bilder des bizarren Himmelskörpers und wertvolle Messdaten wurden zur Erde geschickt.

Der Ursprung von Staubfontänen in eingestürzten Gruben konnte dokumentiert werden, ebenso rasche Veränderungen an der Oberfläche. Auch ein Wassereiszyklus, der dem Tag-Nacht-Rhythmus des Kometen folgt, wurde entdeckt.

Von "Rosetta" aufgenommener Gasausbruch auf "Tschuri" vom 29. Juli

ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Staubfontäne auf "Tschuri"

Anfang Juni dann die große Überraschung: Die Landesonde "Philae", deren spektakuläre Dreifachlandung im November 2014 für Spannung gesorgt hatte, meldete sich wieder. Leider gelang es nicht, eine stabile Verbindung aufzubauen, doch man hofft, im nächsten Jahr noch einmal über längere Zeit Verbindung zur "Philae" aufnehmen zu können.

"Rosetta" selbst musste im Sommer auf Distanz zum Kometen gehen, als dieser immer stärkere Aktivität in Form von Staub- und Gasfontänen zeigte. Nach dem sonnennächsten Punkt konnte sich die Sonde wieder näher an den Kometen heranwagen. "Rosetta" wird den Kometen "Tschuri" noch bis in den September 2016 begleiten.

20 Jahre Forschung an Exoplaneten

Im Herbst 1995 gaben Michel Mayor und Didier Queloz die erste Entdeckung eines Planeten im Orbit um einen sonnenähnlichen Stern, 51 Pegasi, bekannt. Nun sind bereits über 2.030 Exoplaneten bekannt, und die Forschung geht weit über eine reine Bestandsaufnahme hinaus. Besonders erfolgreich ist das NASA-Weltraumteleskop "Kepler", das seit 2009 der Suche nach fernen Planeten gewidmet ist.

Einer der von "Kepler" entdeckten Planeten sorgte im Sommer für Schlagzeilen: Kepler-452b ist mit einem ca. 60 Prozent größeren Durchmesser als die Erde der bisher kleinste Planet, dessen Umlaufbahn nahe am inneren Rand der sogenannten "habitablen Zone" eines Sterns liegt.

Größenvergleich von Kepler-452b und der Erde

APA/AP/NASA/Ames/JPL-Caltech/T. Pyle

Illustration: Größenvergleich von Kepler-452b und der Erde (links)

Der Stern, den Kepler-452b in 385 Erdentagen umkreist, ist der Sonne sehr ähnlich. Er ist um 1,5 Milliarden Jahre älter als die Sonne und liegt 1.400 Lichtjahre von uns entfernt. Die Masse (sie liegt zwischen drei und sieben Erdmassen) und Zusammensetzung des Planeten Kepler-452b sind allerdings nur ungenau bekannt. Ob es sich tatsächlich um einen Gesteinsplaneten handelt, kann bisher nur vermutet werden.

Trotz der spektakulären Erfolge in der Erforschung von Exoplaneten sollte man daher nicht zu voreilig von einer "zweiten Erde" sprechen. Umlaufbahn und Größe allein machen noch lange keine Erde aus. Unzählige weitere Faktoren müssten zusammenkommen, um einen Planeten für uns lebenswert zu machen. Wir sollten also auch weiterhin gut auf unsere Erde aufpassen, denn: "Es gibt keinen Plan(eten) B", wie manche Umweltaktivisten anlässlich der Pariser Klimakonferenz riefen.

Etwas im Schatten von Kepler-452b stand der erste nachgewiesene extrasolare Protoplanet – LkCa 15b. Als Protoplaneten bezeichnet man ein Objekt, das gerade im Begriff ist, ein Planet zu werden. LKCa 15b ist etwa 400 Lichtjahre entfernt, umkreist einen Stern im Sternbild Stier und weist noch deutliche Anzeichen von Massenakkretion ("Aufsammeln" von Materie) auf.

Hinweise auf Sterne der ersten Generation

Auch aus dem Reich der Sterne und Galaxien gab es im Sommer Bemerkenswertes zu berichten. Mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte konnte die bisher hellste Galaxie im frühen Universum entdeckt werden. Sie überbietet den bisherigen Leuchtkraftrekord unter den sehr fernen Galaxien ums Dreifache.

Künstlerische Darstellung der Galaxie CR7

ESO, M. Kornmesser

Künstlerische Darstellung der Galaxie CR7

Doch damit nicht genug: In dem "CR7" genannten Sternsystem wurden durch Spektroskopie Hinweise auf Sterne der ersten Generation gefunden. In unserer Milchstraße und vergleichbaren Galaxien des lokalen Universums gibt es zwei Sterngenerationen: die jüngere Population I (zu der unsere Sonne gehört) und die ältere Population II. Man ist sich aber ziemlich sicher, dass es mindestens eine noch ältere Generation von Sternen gab, die allerdings nur eine kurze Lebensdauer hatte.

Nur beim Blick in sehr große Entfernungen, in die frühe Vergangenheit des Kosmos, kann sie überhaupt nachgewiesen werden. Schwere Elemente müssen den Population III-Sternen noch gefehlt haben. Vielmehr haben jene ältesten Sterne die meisten Elemente erst selbst durch Kernfusion erzeugt und den nachfolgenden Generationen "in die Wiege gelegt".

Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium sollten das einzige Basismaterial der ältesten Population gewesen sein. Die Strahlungseigenschaften der ultrahellen Galaxie CR7 passt nun recht gut zu all diesen Charakteristika der Population III, die – wenn unsere Theorien stimmen – schon nach wenigen Millionen Jahren Lebensdauer Geschichte war.

Das Licht, das wir jetzt von CR7 empfangen, wurde rund 800 Millionen Jahre nach dem Urknall ausgesandt; damals hatte das Universum also erst knapp sechs Prozent seines heutigen Alters.

Die Rückblicke der letzten Jahre: