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Teilchen im Energiefeld

Mit Quasiteilchen zum Quantencomputer

Die Computer der Zukunft könnten mit Teilchen rechnen, die eigentlich keine sind. Hinter dem Begriff "Polariton" verbirgt sich ein Versuchsaufbau, bei dem ein Elektron, ein Loch in einem Halbleiter und Laserlicht zusammen zu einem "Quasiteilchen" werden. Das könnte den Weg für Quantencomputer ebnen, meint ein österreichischer Forscher.

Physik 05.01.2016

"Das Polariton lebt sozusagen in einem Halbleiter", so Florian Pinsker, der sich mit einem Schrödinger-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF an der University of Oxford mit dem besonderen Aufbau auseinandersetzt.

Der Halbleiter liegt zwischen zwei Spiegeln, die in einem bestimmten, sehr knappen Abstand zueinander stehen. "Wenn man mit einem Laser auf dieses Konstrukt schießt, kann man darin mit der Energie eines Lichtteilchens (Photon) ein Elektron aus dem fixierten in den frei beweglichen Zustand bringen - zurück bleibt dann sozusagen ein Loch. Das kann wiederum als Teilchen angesehen werden. Es hat eine positive Ladung, während das Elektron eine negative Ladung hat", sagte der Physiker und Mathematiker.

Aufgrund der Ladungsunterschiede ziehen einander die beiden "Teilchen" an. Dieses Elektron-Loch-Paar bildet ein "Quasiteilchen", das die gleiche Welleneigenschaft wie ein Wasserstoffatom hat. Die Forscher bezeichnen das als "Exziton".

Speicher für Quantencomputer

Unter bestimmten Umständen kann auch das Laserlicht mit dem "Exziton" verknüpft werden. Das funktioniert so: Das erste Photon, das auf den Halbleiter trifft, erzeugt das "Exziton", während das darauf folgende Lichtteilchen durch das entstandene Loch schlüpft und zwischen den beiden Spiegeln, deren Abstand genau auf die Wellenlänge des Lichts abgestimmt ist, hin und her reflektiert wird. Man nennt das einen optischen Resonator, in dem eine stehende Welle sozusagen gefangen gehalten wird. Pinsker: "Das Elektron, das Loch und das Licht bilden zusammen sozusagen eine eigene Einheit, ein eigenes Ding - ein 'Polariton'."

Am meisten interessiert Pinsker und seine Kollegen, ob man diese Quasiteilchen als Informationsträger in einem Quantencomputer nutzen kann. In einem solchen Rechner wäre die kleinste Informationseinheit nicht mehr das Bit, das nur zwei Zustände kennt, sondern das Quantenbit (Qubit). Da dieses auch alle Zustände zwischen null und eins einnehmen könnte, ließen sich bestimmte Probleme damit schneller lösen.

Mit Lichtgeschwindigkeit

Aufgrund der Tatsache, dass es sich beim Polariton um ein Hybrid aus Licht und Elektron handelt, wäre es möglich, "mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zu operieren". Außerdem könne man sie innerhalb von Femtosekunden (eine Femtosekunde ist eine Billiardstel Sekunde, Anm.) bilden. Ihre Kurzlebigkeit sei sowohl Vorteil als auch Nachteil: Einerseits könnte man dadurch Quanteninformation gut auslesen, andererseits bleibt offen, wie viele Rechenprozesse man ausführen kann, bevor ein Polariton zerfällt.

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass diese Zustände bei Raumtemperatur erzeugt werden können. Außerdem können sie sogenannte Bose-Einstein-Kondensate formen: Hier befinden sich alle erzeugten Polaritonen im selben Quantenzustand und formen eine riesige Quantenwelle. "Es gibt nichts Vergleichbares in der Technologie-Branche", kommt der Forscher ins Schwärmen, entsprechend hoch sei das Interesse an ihrer Erforschung.

Pinsker und seine Kollegen setzten sich in mehreren Publikationen in Fachzeitschriften vor allem rechnerisch damit auseinander, was bei der Bildung und Auflösung der Gebilde passiert. "Wenn man die mathematische Form besser versteht, versteht man auch das Polariton besser", betont der Wissenschaftler.

science.ORF.at/APA

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