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Eine Mutter liest zwei Kindern aus einem Buch vor

Mutterschaft als Jungbrunnen?

Mutterschaft hält jung - zu diesem Schluss kommt zumindest eine aktuelle Studie. Demnach beeinflusst die Anzahl der Kinder, wie schnell eine Frau altert: Je mehr Nachwuchs, desto stärker der positive Effekt.

Alter 09.01.2016

Kinder zu bekommen, ist für Frauen anstrengend und kräfteraubend: Angefangen bei der neunmonatigen Schwangerschaft über die Stillzeit bis zur Versorgung und Pflege der Heranwachsenden müssen sie eine Menge Energie investieren, körperlich wie psychisch.

Die Studie in "PLOS ONE":

"Number of Children and Telomere Length in Women: A Prospective, Longitudinal Evaluation" von Cindy K. Barha et al., erschienen am 7. Jänner 2016.

Deswegen gehen Theorien ("Life-history-theory") davon aus, dass die reproduktiven Anstrengungen auf Kosten des biologischen Alters gehen müssen. D.h., alle Ressourcen, die dem Nachwuchs zugutekommen, sind für andere Dinge, wie etwa den Erhalt der eigenen körperlichen Fitness, verloren. Kinder sollte demnach das Altern eher beschleunigen als umgekehrt.

Biologisch jung

Die Untersuchung der Forscher um Pablo Nepomnaschy von der kanadischen Simon Fraser University kommt dennoch zum gegenteiligen Schluss. 75 Frauen aus dem in Guatemala ansässigen Maya-Volk der Cakchiquel wurden dafür über einen Zeitraum von 13 Jahren begleitet. Zu Beginn wurde auf Basis von Speichelproben und Wangenabstrichen die Länge ihrer Telomere gemessen - das sind jene DNA-Schutzkappen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden und daher als Indiz für das biologische Alter eines Organismus gelten.

13 Jahre später wiederholten die Forscher die Prozedur. Sie fanden einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kinder und der Länge der Telomere. Jedes zusätzliche Kind, das eine Frau im Untersuchungszeitraum geboren hatte, wirkte sich demnach direkt auf deren Länge aus.

Verjüngende Hormone?

Rein körperlich ließe sich der Effekt mit dem Sexualhormon Östrogen erklären, schreiben die Forscher. Während einer Schwangerschaft produziert der weibliche Körper etwa 200-mal so viel davon wie im Normalzustand. Man wisse, dass das Hormon die Telomere unter anderem vor oxidativem Stress und Alterung schützt.

Es könnte aber auch weniger biologische Gründe für die langsamere Alterung der Mütter geben. In viele Kulturen - wie auch bei den Cakchiquel - werden Frauen mit vielen Kindern sozial sehr unterstützt; Frauen im sozialen Umfeld kümmern sich ebenfalls um den Nachwuchs und nehmen den Müttern so einen Teil der Last ab. Diese Hilfe kann die biologischen Kosten mit jedem weiteren Kind reduzieren, vermuten die Forscher.

Unterstützung entscheidend

Dies könnte auch erklären, warum andere Studien zum Thema einen gegenteiligen Zusammenhang festgestellt haben, z.B. eine Untersuchung aus dem Jahr 2014, die überprüft hat, ob die die Länge der Telomere bei über 65-jährigen Frauen mit dem Beginn der Menopause zu tun hat. Die Anzahl der Kinder taucht dabei als Faktor auf, der einen negativen Einfluss auf die Telomere zeigte.

Wie die Forscher um Nepomnaschy schreiben, ist der Widerspruch zumindest teilweise der Methodik geschuldet. Es könnte aber auch etwas anderes eine wesentliche Rolle spielen: Der soziale wie kulturelle Hintergrund und das ganze Leben der beiden untersuchten Gruppen sei völlig anders. Ausschlaggebend für den Verjüngungseffekt wäre demnach nicht unbedingt die Mutterschaft per se, sondern der Grad der Unterstützung, den die Mütter dabei erhalten.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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