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Zwei Schimpansen

Auch Schimpansen vertrauen ihren Freunden

Vertrauen und Freundschaft gehören zusammen - das gilt offenbar nicht nur für Menschen. Wie Forscher mit Experimenten nun zeigen konnten, vertrauen befreundete Schimpansen einander eher als anderen Artgenossen. Dieses vermeintlich typisch menschliche Verhalten ist offensichtlich älter als gedacht.

Anthropologie 15.01.2016

Sie verbringen viel Zeit miteinander, berühren sich häufig, beschenken einander und essen zusammen - schon rein äußerlich ähnelt die Freundschaft zwischen Schimpansen sehr jener von Menschen. Auch bei der Auswahl der Freunde zeigen sich Parallelen, wie eine Studie von Wiener Biologen schon vor zwei Jahren ergeben hat. Demnach schließen einander ähnliche Tiere eher Freundschaften.

Die Studie in "Current Biology":

"Chimpanzees Trust Their Friends" von Jan Maxim Engelmann und Esther Hermann, erschienen am 14. Jänner 2016.

Ö1 Sendungshinweis:

Darüber berichten auch die Journale am 15.1.

Beziehungskitt Vertrauen

Ob die äffischen Bindungen von vergleichbaren inneren Faktoren - wie etwa Vertrauen und Unterstützung - zusammengehalten werden, ist hingegen noch wenig untersucht. Der Vertrauensfrage haben sich nun Jan Engelmann und Esther Hermann vom Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in einem Refugium für verwaiste Schimpansen in Kenia angenommen.

Zu diesem Zweck haben sie das menschliche Vertrauensspiel für Schimpansen adaptiert. Das Spiel basiert auf einer ökonomischen Definition von Vertrauen. Vereinfacht ausgedrückt, zeichnet sich dieses dadurch aus, dass eine Person einer anderen ohne Sicherheiten Ressourcen überlässt.

Großzügige Freunde

Im Spiel hatten die Tiere die Möglichkeit, an einem von zwei Seilen zu ziehen - dem "Vertrauensseil" bzw. "Nicht-Vertrauensseil". Zog ein Schimpanse an letzterem, erhielt er unmittelbar ein paar Stückchen Banane erhielt. Das war die sichere, aber nicht besonders interessante Variante. Die zweite Option setzt Vertrauen voraus: Zog ein Tier an diesem Seil, bekam sein Gegenüber eine größere Menge Äpfel und Bananen. Dieser konnte seinem Partner einen Teil davon abgeben, musste das aber nicht.

Versuchsanordnung Schimpansen

Engelmann und Hermann, Current Biology

Die Schimpansen beim Vertrauensspiel

Insgesamt zwölfmal spielte jedes Tier das Spiel mit einem Freund, zwölfmal mit anderen Artgenossen. Laut den Forschern wählten befreundete Affen "sehr viel häufiger" die potenziell ertragreichere, aber riskantere Variante als nicht befreundete Tiere. Interessanterweise gaben insgesamt zwei Drittel aller Mitspieler, die die größere Menge an Äpfel und Bananen bekommen hatten, etwas an den Spielpartner zurück - egal, ob sie mit diesem befreundet waren oder nicht. Welche Tiere befreundet sind, hatten die Forscher zuvor in einem fünfmonatigen Beobachtungszeitraum erhoben.

Echtes Vertrauen

Die Ergebnisse legen nahe, dass es sich nicht nur um rein strategisches Vertrauen handelt, wie die Forscher in ihrer Studie ausführen. D.h., die Schimpansen schenken nicht nur dann Vertrauen, wenn sie sich selbst einen kurzfristigen Nutzen davon versprechen, immerhin erhielten sie ja nicht automatisch einen Teil des Obsts.

Es sehe ganz danach aus, als ginge es wirklich um die Identität des anderen. Die Schlussfolgerung der Forscher: Es handelt es sich demnach um echtes, emotionales Vertrauen. Das sei wie bei menschlichen Freundschaften, bei diesen gehe es auch nicht um Tauschgeschäfte und Gleichverteilung. "Diese tierischen Freundschaften haben echte Ähnlichkeiten mit menschlichen Beziehungen", meint Engelmann.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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