Wie ist es eine Wespe zu sein? Die Antwort auf diese Frage kennt Jochen Zeil. Der Biologe von der Australian National University in Canberra hat sich nun gewissermaßen in den Kopf einer Wespe begeben. Das ist natürlich nicht wirklich möglich, doch Zeils Rekonstruktion kommt der Innenperspektive des Insekts schon ziemlich nahe.
Um herauszufinden, wie sich Wespen in ihrer Umgebung orientieren, zeichneten die Forscher die Flugrouten und die Kopfbewegungen der australischen Knotenwespe mit Stereo-Hochgeschwindigkeitskameras auf - und speisten das Ganze in ein Computermodell. Ergebnis dieser aufwändigen Berechnungen war unter anderem ein Film, der den Blick durch die Augen der Wespe zeigt.
Video:
Die Welt aus Wespenperspektive - (c) Wolfgang Stürzl
Die dazugehörige Studie:
"How Wasps Acquire and Use Views for Homing", Current Biology (11.2.2016)
Die Augen von Bienen, Fliegen oder Wespen sind völlig anders gestaltet als die unseren. Die Insekten besitzen sogenannte Facettenaugen, die aus vielen kleinen Einzelaugen zusammengesetzt sind. Diese Augen sind extrem leistungsfähig, wenn es um die Wahrnehmung von Bewegungen geht. Die Auflösung ist hingegen nicht so gut - siehe Video. "Wir haben uns sozusagen in das Cockpit des Insekts gesetzt", sagte Zeil kürzlich gegenüber der Australian Broadcasting Corporation.
Wie die Forscher im Fachblatt "Current Biology" schreiben, folgen die Wespen bei ihren Flügen stereotypen Mustern. Verlassen sie ihr Nest, blicken sie immer wieder zurück und nehmen quasi Schnappschüsse von bekannten Bezugspunkten in der Landschaft auf.
"Es ist ein bisschen so, als würden Sie Ihr Hotel in einer fremden Stadt verlassen und sich nochmals umdrehen, um sicher zu gehen, dass sie es später wiedererkennen", so Zeil. "Das ist eine kluge Strategie, um alle notwendigen Informationen zu bekommen, die man für die Rückkehr benötigt."
Das ist freilich nicht der einzige Trick, den die Wespen gegen drohende Verirrungen einsetzen. Der Studie zufolge führen sie regelmäßig Orientierungsflüge durch. Dabei fliegen sie im Zick-Zack-Muster in der Umgebung des Nests und steigern Schritt für Schritt Distanz sowie Flughöhe. Es scheint, als würden sich die Wespen bei ihren Flügen die wichtigsten Orientierungspunkte der Landschaft einprägen, bis die mentale Landkarte vollständig ist.
Dass Insekten trotz ihres kleinen Gehirns nicht zu unterschätzen sind, zeigen auch Untersuchungen an der nordamerikanischen Feldwespe: Sie kann ihre Artgenossen am Gesicht erkennen - nach entsprechendem Training ist sie sogar imstande, menschliche Gesichter auseinander zu halten.
Robert Czepel, science.ORF.at
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