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Schimpanse nutzt Stein als Werkzeug

Rätselhafte Steinwürfe von Schimpansen

Biologen haben bei Schimpansen eine völlig unbekannte Verhaltensweise entdeckt: In einigen Gegenden Westafrikas stapeln die Affen Steine und werfen sie immer wieder gegen Bäume. Warum sie das tun, ist unklar.

Verhalten 29.02.2016

Die Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben aber bereits einige Vermutungen. Das Steinewerfen zeigt nämlich einige Ähnlichkeiten zum bekannten Trommeln mit Händen und Füßen gegen Baumwurzeln. Dabei handelt es sich um ein ritualisiertes Verhalten, mit dem Männchen ihr Territorium abstecken und ihren Artgenossen signalisieren: "Hier bin ich, wo seid ihr?"

Die Studie

"Chimpanzee accumulative stone throwing", Scientific Reports (29.2.2016).

Video

Steinwerfer in Aktion
(c) MPI-EVA PanAf/Chimbo Foundation

Wie Hjalmar Kühl, einer der Studienautoren, im Gespräch mit science.ORF.at erklärt, könnte das Werfen der Steine eine Erweiterung des Trommelns sein - also der Kommunikation dienen. Auffällig sei jedenfalls, dass das Verhalten keinen unmittelbaren Nutzen für die Nahrungssuche habe, wie das bei anderen Formen des Werkzeuggebrauchs der Fall ist.

Ein Proto-Kult?

Steinhaufen in einem hohlen Baum

MPI-EVA PanAf/Chimbo Foundation

Steinhaufen in einem hohlen Baum

Das führt zu Hypothese Nummer zwei: "Wir haben beobachtet, dass die gleichen Tiere immer wieder an den gleichen Ort zurückkehren, teilweise sogar die gleichen Steine benutzen", sagt Kühl. "Was motiviert einen Schimpansen, das zu tun? Vielleicht handelt es sich bei den Steinhaufen um rituelle Stätten? Das ist reine Spekulation - aber es wäre möglich." Für diese Hypothese spricht unter anderem, dass auch Weibchen und Jungtiere immer wieder mit Steinen werfen.

Sollte das zutreffen, wären die Steinhaufen Ausdruck eines Proto-Kultes - quasi ein Selbstzweck, der für das Überleben wenig bringt. Denn das Verhalten kostet Energie: Wie die Forscher in ihrer Studie berichten, waren die verwendeten Steine bis zu 20 Kilogramm schwer. Dass hier kulturelle Faktoren mitspielen, zeigt sich auch an dem Umstand, dass nicht alle Schimpansen-Populationen solche Steinhaufen ansammeln. Diejenigen, die es tun, haben das Verhalten vermutlich schon vor Tausenden Jahren entwickelt, so Kühl.

In Liberia und Guinea, wo besagte Schimpansen-Populationen leben, könnten im Erdreich auch Überreste uralter Steinhaufen zu finden sein. "Das ist ein faszinierender Gedanke", sagt Kühl. "Wir könnten in dieser Region nach solchen Artefakten graben - und eine Archäologie der Schimpansen betreiben."

Robert Czepel, science.ORF.at

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