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Zwillinge Scott und Mark Kelly

Zwillingsexperiment im All geht zu Ende

Das Experiment gilt als Vorbereitung für einen zukünftige Marsmission: Ein Jahr hat der Amerikaner Scott Kelly auf der Internationalen Raumstation ISS verbracht. Morgen kehrt er auf die Erde zurück. Dort wartet sein Zwillingsbruder auf ihn: bereit für das Finale des ultimativen Gesundheitschecks.

Raumfahrt 01.03.2016

25. März 2015. Russlands Raketenbahnhof in Baikonur, Kasachstan: "Das Jahr im All beginnt jetzt", so ein Sprecher der US-Raumfahrtbehörde NASA damals. Zusammen mit zwei russischen Kosmonauten hob der amerikanische Astronaut Scott Kelly ab zu einem Rekordaufenthalt im All: ein ganzes Jahr an Bord der ISS. Sein Zwillingsbruder Mark bildete die Ein-Mann-Kontrollgruppe auf dem Boden.

Während dieser Zeit nahm ein Team von zehn Medizinern Proben von Speichel und Stuhl sowie Wangenabstriche von Mark Kelly. Scott im All war sein eigenes Versuchskaninchen und sammelte von sich selbst Proben, die nun mit ihm zu Erde zurückkehren.

Ö1 Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag im heutigen "Mittagsjournal", 1.3.2016, 12.00 Uhr.

Video: NASA-Forscher Craig-Kundrot über die Kelly-Zwillingsstudie. (c) NASA.

Die Wissenschaftler verglichen auch das Genmaterial der Zwillinge, um herauszufinden, ob die Schwerelosigkeit einen Einfluss auf die Gesundheit hat. So wollen die Forscher verstehen, welche körperlichen Funktionen Veranlagung sind und welche Umwelteinflüssen unterliegen - all das als Test für einen mehrjährigen Flug zum Mars.

"Wir haben vor allem die Folgen der Schwerelosigkeit auf die Sicht und auf den Druck in der Schädelhöhle untersucht", erklärt Julie Robertson, die als ISS-Chef-Wissenschaftlerin dieses einjährige Zwillingsexperiment betreut hat.

"In den vergangenen Jahren hatte sich bei einigen Astronauten im Weltraum der Druck in den Venen, im Gehirn und im Rückenmark erhöht." Dies habe Auswirkungen auf ihre Sicht gehabt, die nach Rückkehr auf die Erde dauerhaft sein könnten. Außerdem mussten beide Kellys identische psychologische Prüfungen und physische Ausdauertests auf dem Boden und an Bord der Raumstation absolvieren.

Der Countdown bis zur Landung läuft

Es wird noch einige Zeit dauern, bis das Zwillingsexperiment ausgewertet und die Forscher die Daten der beiden Brüder verglichen haben. Für Scott Kelly jedenfalls geht in wenigen Stunden eine einjährige Odyssee um die Erde zu Ende. "Ich habe angefangen, rückwärts zu zählen, als noch zehn Tage übrig waren", gesteht der US-Astronaut. "Das war erst vor ein paar Tagen."

Ihm falle es schwer, sich von der Station zu verabschieden. "Denn wahrscheinlich werde ich sie nie wieder sehen." Kelly war jetzt zum vierten Mal im All. "Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich mein ganzes Leben hier oben verbracht", scherzt der Rekordflieger.

Die Parallelen zu einer mehrjährigen Marsmission enden mit der Landung der Sojus-Kapsel in Kasachstan. Denn auf dem Mars wäre die Crew nach einer langen Anreise auf sich selbst gestellt. Die Astronauten müssten sofort in der Lage sein, aufzustehen, zu gehen und möglicherweise etwas auf dem Mars zusammenzubauen. In Kasachstan jedoch wird Scott Kelly von Ärzten erwartet und erst einmal nicht selbstständig herumlaufen.

Steve Gilmore ist für die NASA als Flugchirurg tätig und hofft auf ein Folgeexperiment, das noch näher an eine Marsmission herankommt: "Hoffentlich können wir eines Tages ein Crewmitglied überreden, zwei oder drei Jahre im Weltraum zu verbringen."

Science-Fiction-Fans gingen die Versuche der vergangenen zwölf Monate nicht weit genug. Einige haben die NASA aufgefordert, Einsteins Zwillingsexperiment in die Tat umzusetzen. In dessen Verlauf soll ein Zwilling mit annähernd Lichtgeschwindigkeit die Erde umkreisen.

Gemäß der Speziellen Relativitätstheorie würde er dabei wesentlich langsamer altern als sein auf der Erde verbliebener Bruder. Mangels Raumschiffen, die in der Lage wären, auch nur ansatzweise ein derartiges Tempo zu erreichen, musste die NASA diesen Versuch jedoch auf irgendwann in die Zukunft verschieben.

Guido Meyer, science.ORF.at

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