Der Internationale Frauentag am 8. März, der auf die Initiative der deutschen Sozialistin Clara Zetkin im Jahr 1910 zurückgeht, ist ein adäquater Anlass, eine Auswahl aus dieser Galerie der Philosophinnen zu präsentieren.
Sie umfasst Philosophinnen verschiedener Epochen wie Hypatia von Alexandria, Theano aus Kroton, Olympe de Gouges, Germaine de Staël, Lou Andreas-Salomé, Simone Weil, Edith Stein, Rosa Mayreder, Hannah Arendt und Simone de Beauvoir.
Gegen die Zuweisung von Normen
Das von Irene Trawöger und Marit Rullmann herausgegebene Buch "Welt Weise Frauen" hat den Untertitel "Philosophinnen von der Antike bis zur Neuzeit in Wort und Bild porträtiert". Der Untertitel ist programmatisch, weil in diesem Buch eine Synthese von bildender Kunst und Philosophie erfolgt. Die in Wien lebende bildende Künstlerin Irene Trawöger porträtiert verschiedene Philosophinnen; sie versucht, deren Denk- und Lebensraum künstlerisch umzusetzen.
"Als Frau wird man nicht geboren, zur Frau wird man" - so lautet der Leitgedanke von Simone de Beauvoirs Hauptwerk "Das andere Geschlecht". Dieser Satz wurde zum viel zitierten Slogan der internationalen feministischen Bewegung und besagt, dass Frauen gezwungen werden, sich der symbolischen Ordnung der jeweiligen gesellschaftlichen Formation zu unterwerfen. Genau diese Rollenzuweisung wird von den in der Publikation versammelten Philosophinnen abgelehnt; sie weigern sich, durch Geschlechterrollen festgelegt zu werden.
Literaturhinweise:
Irene Trawöger, Marit Rullmann (Herausgeberinnen): Welt Weise Frauen. Philosophinnen von der Antike bis zur Neuzeit in Wort und Bild porträtiert, Christel Göttert Verlag
Rosa Mayreder: Zivilisation und Geschlecht. Ein Lesebuch herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Eva Geber, mandelbaum verlag
Rosa Mayreder: Der letzte Gott, Herausgegeben von Tatjana Popovic, Böhler Verlag
Hilde Schmölzer: Rosa Mayreder. Ein Leben zwischen Utopie und Wirklichkeit. Eine Biografie, Promedia Verlag
Olympe de Gouges: Der philosophische Prinz. Erzählung aus dem Osten, herausgegeben und bearbeitet von Viktoria Frysak und Corinne Walter, Edition Viktoria
Olympe de Gouges: Molière bei Ninon: oder Das Jahrhundert der großen Männer, übersetzt und herausgegeben von Viktoria Frysak. Edition Viktoria
Doormann, Lottemi: Ein Feuer brennt in mir – Die Lebensgeschichte der Olympe de Gouges, Beltz & Gelberg Verlag
Links
- Biografie Rosa Mayreder (Projekt Ariadne )
- Biografie Olympe de Gouges (Fembio)
Veranstaltungshinweise
Buchpräsentation von "Welt Weise Frauen": 11. März, 19.30: Institut für Wissenschaft und Kunst, Berggasse 17/1-1090 Wien; 16. März 18.00: Sigmund Freud Privat Universität, Sigmund Freud Platz 1, 1020 Wien.
Rosa Mayreder: Analyse und Kritik des Patriarchats
Als eine der ersten radikalen Feministinnen vertrat Rosa Mayreder (1858 - 1938) die Ansicht, dass das Verhältnis zwischen Mann und Frau nicht von der Natur, sondern von gesellschaftlichen Normen bestimmt ist. Sie nahm bereits die These der US-amerikanischen Gender-Theoretikerin Judith Butler vorweg, "dass wir alle seit der Geburt von Geschlechterrollen geprägt sind, die unser Handeln bis heute bestimmen".
Die Rollenzuweisung als Frau erfuhr Mayreder bereits im bürgerlich-konservativen Elternhaus, in dem sie nur an den Griechisch- und Lateinstunden eines ihrer Brüder teilnehmen durfte. Schon als Jugendliche las Mayreder die Werke von Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche. Sie nahm Malunterricht, betätigte sich als Schriftstellerin und wurde zur Mitbegründerin des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins.
In den Folgejahren konzentrierte sich Rosa Mayreder auf die schriftstellerische Arbeit; sie veröffentlichte sozialphilosophische und kulturkritische Schriften wie "Geschlecht und Kultur" und "Zur Kritik der Weiblichkeit", in denen sie den repressiven Charakter des Patriarchats analysierte und bekämpfte.
Ausgang aus der nicht verschuldeten Unmündigkeit
Sie wandte sich gegen die klassischen Rollenklischees, in denen der Geist dem Mann, das Gefühl der Frau zugewiesen wurde. Diese diskriminierende Dichotomie findet sich auch durchgehend in zahlreichen philosophischen Schriften - "Nur am männlichen Maß sollten die Frauen früherer Zeiten gemessen werden", wie die Philosophin Bettina Schmitz im Einleitungsessay der Publikation bemerkt.
Zeit ihres Lebens plädierte Mayreder dafür, dass sich Frauen zu eigenständigen Persönlichkeiten entfalten können. Erst der Ausgang aus der nicht verschuldeten Unmündigkeit biete den Frauen die Möglichkeit - so Mayreder - die Chance, ihr kreatives Potenzial auszuschöpfen. "Man wird erst wissen, was die Frauen sind, wenn ihnen nicht mehr vorgeschrieben wird, was sie sein sollen", schrieb sie.
Und: "Nichts muss den Frauen so angelegen sein, als gegen die Abstraktion zu kämpfen, in die sie beständig durch das männliche Denken verwandelt werden. Gegen das Weib als Idol müssen sie kämpfen, wenn sie als reelle Personen ihr Recht in der Welt erobern wollen."
Olympe de Gouges gegen die Sklaverei
Die französische Philosophin, Schriftstellerin und Theaterautorin Olympe de Gouges (1748-1793) kann als symbolische Paradegestalt der Aufklärung angesehen werden. Sie vereinigte die von Immanuel Kant erhobene Forderung, "selbst zu denken", und die von Jean-Jacques Rousseau erhobene Gesellschaftskritik in einer Person. De Gouges setzte sich für die Emanzipation der Frauen ein und bekämpfte den Kolonialismus und die Sklaverei.
Im Gegensatz zu vielen Philosophen der Aufklärung, die aus gut bürgerlichen Verhältnissen stammten, musste sich Olympe de Gouges ihr Selbstdenken hart erkämpfen. Sie wurde als Marie Grouze in Südfrankreich geboren; ihr Vater war ein Adeliger, der sich nicht zu ihr bekannte. Sie erhielt nur eine mangelnde Schulbildung, wurde gegen ihren Willen mit 17 Jahren verheiratet. Ihr ungeliebter Mann verschwand bald aus ihrem Leben, was sie als Befreiung empfand. "Die Ehe ist die Grabstätte des Vertrauens und der Liebe", notierte sie.
Ihre schlechten Erfahrungen mit der Rücksichtslosigkeit der Männer veranlasste sie zu folgender Überlegung: "Mann, bist du überhaupt imstande, gerecht zu sein? Kannst du mir sagen, wer dir die unumschränkte Macht verliehen hat, die Angehörigen unseres Geschlechts zu unterdrücken? Allein der Mann will in diesem Jahrhundert der Aufklärung und des klaren Verstandes in durch nichts mehr zu rechtfertigender Unwissenheit despotisch über ein Geschlecht herrschen, das über alle geistigen Fähigkeiten verfügt."
Kritik an Revolutionären endete auf der Guillotine
Neben den konkreten Stellungnahmen zu sozialen und politischen Fragen kritisierte de Gouges auch den Verlauf der Französischen Revolution. Für sie ging die 1789 erfolgte Deklaration der Menschen -und Bürgerrechte nicht weit genug. In der Praxis erwiesen sich die Menschenrechte als Männerrechte, die Diskriminierung der Frauen in der Schulbildung, im Scheidungsrecht und im Erbrecht blieb bestehen.
Dagegen wandte sich de Gouges in ihrer Schrift "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin". Darin findet sich die Forderung: "Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Mann ebenbürtig in allen Richtungen."
Diese Forderung fassten die radikalen Protagonisten der Französischen Revolution als Provokation auf. De Gouges wurde verhaftet und zum Tod durch die Guillotine verurteilt. Das Urteil lautete: "Anschlag auf die Volkssouveränität" und wurde am 3. November 1793 vollstreckt. Aus dem Gefängnis schrieb Olympe de Gouges noch einen Aufruf an das Revolutionstribunal, das über ihr Schicksal entschieden hatte:
"Erbebt, ihr neuen Tyrannen, meine Stimme wird sich noch aus des Grabes Tiefe Gehör zu verschaffen wissen. Unerschrocken gerüstet, mit den Waffen der Redlichkeit, trete ich euch entgegen und verlange von euch Rechenschaft über euer grausiges Treiben, das sich gegen die wahren Stützen des Vaterlands richtet."
Nikolaus Halmer, Ö1 Wissenschaft
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