Tausende Tonnen des Pflanzenschutzmittels Glyphosat landen jährlich auf Europas Feldern. Auch weltweit wird kein anderes Pflanzenschutzmittel so häufig eingesetzt. Entsprechend hoch ist daher die wirtschaftliche Bedeutung der Substanz. Heute wurde die Entscheidung über eine Neuzulasssung vorerst auf Mai verschoben.
Ö1-Sendungshinweis
Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 8. März um 12.00 Uhr.
Wird es in der EU tatsächlich nicht weiter zugelassen, müsste die Pflanzenschutzmittel-Industrie mit drastischen Einbußen rechnen. Stefan Kocher von der Monsanto Agrar Deutschland zeigt sich allerdings gelassen - Monsanto ist einer der größten Erzeuger von glyphosathältigen Produkten. "Wir gehen davon aus, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse die Basis für die Entscheidung bilden", so Kocher gegenüber science.ORF.at.
Viele Wege zur Zulassung
Auch wenn die Entscheidung nun vertagt wurde, sehe er das relativ unaufgeregt. Immerhin tage das Expertengremium noch einmal im Mai, also bevor die derzeitige Zulassung mit Ende Juni endet. Wenn es ein Votum dagegen gibt, könnten die Industrievertreter immer noch in die Berufung gehen.
In diesem Fall, so der Pflanzenschutzexperte Kocher, werde die Zulassung wahrscheinlich provisorisch verlängert werden, um den landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu gefährden. Denn gerade im Sommer habe der Pflanzenschutz Hochsaison. Der Firmenvertreter rechnet aber damit, dass es nicht so weit kommen wird.
Auffassungsunterschiede
Dass ein Institut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz als Zitat "wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen" eingestuft hat, wird laut Kocher daran auch nichts ändern. Denn diese Bewertung habe einen völlig anderen Fokus als die Europäische Agentur für Ernährungssicherheit. Letztere bewertet das Risiko, die WHO betrachtet die prinzipielle Gefahr des Wirkstoffs.
Das sei ein fundamentaler Unterschied, so Kocher: "Das WHO-Institut weist darauf hin, wie hoch das theoretische Gefahrenpotenzial ist. Die Behörden auf der anderen Seite stellten fest, dass das Risiko in der sachgerechten Anwendung sehr niedrig ist."
Kompetente Behörden
Die Kritiker sehen das naturgemäß anders. Ihrer Meinung nach geht es um mehr als um Auffassungsunterschiede: Die von der Industrie eingereichten Studien wurden nicht nach den gängigen Standards ausgewertet, die falschen Methoden seien verwendet worden, so die Vorwürfe.
So steht es auch in einer Anzeige, die die österreichischen Umweltorganisation Global 2000 letzte Woche einreichte. Das ist für den Monsanto-Vertreter ebenfalls kein Grund zur Beunruhigung. Manche Studien seien eben älter und daher nach früheren Standards erstellt worden.
Die Frage, ob man die mit der Bewertung beauftragte Behörde zumindest auf diesen Umstand aufmerksam gemacht habe, verneint Kocher. "Das wäre anmaßend. Ich billige den Behörden die nötigen Kompetenzen zu, auch ältere Studien entsprechend einzuordnen und gemäß den gängigen Standards zu bewerten", erklärt der Firmenvertreter.
Geschäftsgeheimnisse
Auch dafür, warum viele von Monsanto in Auftrag gegebene Studien weiterhin geheim bleiben, hat Kocher eine Erklärung: Das geschehe im Dienste des Geschäftsgeheimnisses, denn in der Entwicklung von glyphosathältigen Produkten steckt sehr viel Geld. Sollte die EU-Kommission allerdings in Zukunft die Vorgaben verändern, also eine Offenlegung vorschreiben, werde sich Monsanto natürlich daran halten.
Heute konnte Brüssel sich jedenfalls noch nicht entscheiden, ob diese offenbar sehr lukrativen Produkte weiterhin auf Europas Felder angewendet werden dürfen oder nicht.
Eva Obermüller, science.ORF.at