Kurz mal die Emails checken. Ach ja, das lustige Instagram-Bild von der Kollegin wollte man noch kommentieren. Und dann sind da noch drei Anrufe in Abwesenheit: vielleicht etwas Wichtiges? Gründe, das Telefon in die Hand zu nehmen, gibt es immer. Und wenn man sich im Kaffeehaus oder in der U-Bahn umsieht, dann scheint es, als hätten viele Zeitgenossen gute Gründe.
"Mobile elektronische Geräte beherrschen zunehmend unsere täglichen Aktivitäten", stellen Henry Wilmer und Jason Chein in einer Studie nüchtern fest. Die beiden Psychologen von der amerikanischen Temple University sind keine Kulturpessimisten. Mit dem Smartphone zu kommunizieren, zu lesen und sich zu unterhalten, sei an sich eine gute Sache, betonen die beiden.
Zweischneidig werde die Angelegenheit allenfalls durch die aus dem Überangebot erwachsende Schwierigkeit, gerade das einmal zu unterlassen. Anders ausgedrückt: Die Ablenkung via Smartphone kann sich auch zum Zwang auswachsen.
Die Ungeduld ist online
Wann das der Fall ist, beziehungsweise welche Charaktereigenschaften dafür disponieren - das haben Wilmer und Chein nun an 90 Studenten untersucht. Die beiden Forscher fragten ihre Probanden, wie viel Zeit sie mit ihren Smartphones verbringen und unterzogen sie danach einigen psychologischen Tests. Unter anderem stellten sie ihnen die hypothetische Frage: Wenn Sie für dieses Experiment in einem Jahr 1.000 Dollar bekommen könnten oder morgen einen kleineren Betrag X (der Betrag wurde variiert) - was wäre ihnen lieber?
Die Auswertung zeigte: Wer überproportional viel Zeit mit dem Handy verbringt, will das Geld gleich. Und hat auch in anderen Lebenslagen eher Schwierigkeiten mit der Impulskontrolle und dem Aufschub Bedürfnissen. Das mag nicht sonderlich überraschend sein, gleichwohl bestätigt die Untersuchung nicht alle Intuitionen: Handy-Junkies reagieren per se nicht stärker auf Belohnungen. Sie haben bloß Schwierigkeiten Nein zu sich zu sagen.
Und da das Handy im - Gegensatz zu anderen Verlockungen - permanent verfügbar ist, wird aus dem Bedürfnisaufschub eben auch eine permanente Willensprobe. Freilich könnte es auch umgekehrt sein, schreiben die Forscher in ihrer Studie: Vielleicht macht die Präsenz des Handys erst für schnelle Belohnungen empfänglich?
Ursache oder Wirkung?
Glücklicher macht sie jedenfalls nicht, lautet das Resümee einer anderen Studie. Die beiden koreanischen Forscher Hongjai Rhee und Sudong Kim haben nun das Freizeitverhalten von 425 Probanden untersucht. Wie haben Sie die Mittagspause verbracht? - so lautet die Eingangsfrage der Studie.
Wie zu erwarten, hatte die Pause auf alle eine erholsame Wirkung: Sie machte den Kopf der Probanden frei und gab ihnen neuen Elan, egal, ob sie nun einen Spaziergang machten, mit Kollegen plauderten oder mit dem Handy im Internet surften. Im Detail zeigte sich allerdings ein Unterschied. Die Handy-Nutzer fühlten sich von den Ablenkungen weniger erfrischt. Das gilt, wie die Forscher im Journal "Computers in Human Behavior" notieren, vor allem für ihre Gefühle.
Auch hier bleibt unklar, ob der Befund Ursache oder Wirkung beschreibt. Im Prinzip könnte es auch so sein, dass man im Zustand emotionaler Erschöpfung eher zum Handy greift.
Robert Czepel, science.ORF.at
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